Weinparadies Hohenlohe
19 | 18 | fürs Brennen brennen Das inoffizielle Schnapsdorf Pfedelbach gilt in der Genie- ßerregion Hohenlohe als Hochburg der Hochprozenter Brennpunkte, Destillatwege, Heimat der Destillatkönigin, Ostbau-Zentrum Hohenlohes, Brennrechte-Spitzenreiter, dazu engagierte Brenner mit zig Prämierungserfolgen und ein Obst- ler, den es nirgends anders gibt. Keine Frage, innerhalb der Hohenloher Destillat-Landschaft nimmt Pfedelbach durchaus eine Sonderstellung ein. Nicht zu Unrecht tituliert Bürgermei- ster Torsten Kunkel seine Gemeinde ebenso gerne wie häufig als „Schnapsdorf“. Keine offizielle Bezeichnung, aber den- noch mehr als griffiges Kommunal-Marketing. Das lässt sich durchaus untermauern. 314 Hektar Obstanlagen, davon 80 Hektar Streuobst-Wiesen, machen Pfedelbach zum Obstbau-Zentrum Hohenlohes. Dabei sind sich Kenner der Szene einig, dass die Bedingungen für aromatisches Obst rund um Pfedelbach und im Steinbacher Tal so ziemlich ideal sind. Brennrechte Für das Prädikat „Schnapsdorf“ spricht auch, dass es im Gemeindegebiet nach Angaben des zuständigen Hauptzollamts 108 eingetragene Brennrechte gibt. Damit ist Pfedelbach im Verband der Klein- und Obstbrenner Nord- Württemberg die Gemeinde mit den meisten Brennrechten. Seit Jahrhunderten wird in den Familien das Privileg des Bren- nens von Generation zu Generation weitergegeben und gilt auch als ein Stück Familientradition. Prämierungen Dass hinter dieser Masse auch Klasse steckt, beweisen die örtlichen Brenner seit Jahren bei der Landesprä- mierung der Klein- und Obstbrenner Nord-Württemberg, wo sie regelmäßig jede Menge Medaillen absahnen, im Ranking ganz vorne mitmischen und sich auch dadurch in der Hoch- prozenter-Szene längst einen guten Ruf erworben haben. Stattliche 100 Gold-, Silber- und Bronzemedaillen räumten zwölf Pfedelbacher Brenner bei der Prämierung 2017 ab. Gfingldr Alleinstellungsmerkmal unter den Pfedelbacher Destillaten und lokale Spezialität ist der aus alten Streuobst- Sorten wie Gewürzluiken, Öhringer Blutstreifling oder Balduffer-Birne destillierte „Gfingldr“. Der etwas seltsame Name greift auf eine alte Pfedelbacher Tradition zurück: Die früher in Pfedelbach beheimateten fahrenden Leute (Jenische) und ihre Geheimsprache, in der Gfingldr nichts anderes als Schnaps bedeutet. Hoheit Dass das Schnapsdorf Pfedelbach auch überregional ein Wörtchen mitzureden hat, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass mit Anna Schleicher die noch bis 2018 amtierende De- stillatkönigin Nord-Württemberg aus der Gemeinde kommt. Destillatwege Alles andere als eine Schnapsidee, wie man umgangssprachlich eine etwas verrückte Idee nennt, sind die Pfedelbacher Destillatwege, die die Gemeinde im Jahr 2017 zusammen mit örtlichen Brennern und der Weinkellerei Hohenlohe ausgeschildert hat: Kirschwasser und Gfingldr heißen die zwei Hauptrouten um Oberohrn und Windischen- bach, Himbeergeist die Verbindungswege durch und nördlich von Pfedelbach. Unter dem Motto „Wandern, lernen und probieren“ sollen die zwischen 3,4 und 6,9 Kilometer langen „Wissenspfade“ (Gesamtlänge 20,7 Kilometer) dem Wande- rer mit allen Sinnen die Arbeit der Brenner nahebringen – vom Obst bis zum fertigen Destillat in der Flasche. Künftig sollen sie bis ins Steinbacher Tal hinein verlängert werden. Was ist ein „Dolleseppler“? Seit wann hat ein „Wässerle“ Alkohol? Und wie bringt man Früchte in die Flasche? Kurz- weilige Antworten auf solche Fragen und zu den Themen Obst, Destillate, Weinbau und Ökologiliefern entlang der Wege insgesamt 26 Infotafeln – auch in Englisch. Die flüssige Praxis dazu vermitteln elf an oder nahe der Strecke gelegene „Genussziele“. Hier können die Wanderer Proben verkosten, Brennereien besichtigen, regionale Produkte erwerben und auf Anfrage auch einkehren. Wer Interesse an einem Destil- laterlebnis hat, Weinerlebnisführerin und Brennerin Barbara Dietz aus Pfedelbach-Windischenbach bietet auf dem Destil- latwanderweg eine „geistreiche Wanderung“ mit vielen Infos rund um die Destillatherstellung und feine Kostproben aus eigener Herstellung an. Die Destillatwege ergänzen die touristische Infrastruktur (Weinlehrpfad, Weinbaumuseum, Philosophenweg, Aussichts- plattform Ranzenberg bei Heuholz, Limes Blick Gleichen und > we inparadi es Hohenlohe i Schnapsdorf Pfedelbach Wo Menschen noch Ü Weingut Weihbrecht Ansprechpartner: Regina und Richard Weihbrecht Schwabbach, Hauptstr. 20, 74626 Bretzfeld, Telefon 07946 2788, info@weingut-weihbrecht.de www.weingut-weihbrecht.de Verkauf: Täglich nach telefonischer Vereinbarung Inhaber: Richard Weihbrecht Wer brennt: Richard Weihbrecht Destillatsorten: 7, Likörsorten: 3 Verarbeitete Obstsorten: Kernobst: Apfel, Birne. Steinobst: Mirabelle, Zwetschge, Beeren: Himbeeren. Sonstiges: Trester Wird eigenes Obst verarbeitet: zum Teil Familie brennt seit: 1980 Weinbaubetrieb, Besenwirtschaft. Brennere i en Vinothek Pfedelbach) um ein weiteres Highlight. Damit will die Gemeinde ihr Potenzial in Sachen Schnaps, Wein und Landschaft weiter komplettieren und touristisch noch besser vermarkten. Informieren kann man sich über die Destillatwege unter www.pfedelbach.de / Tourismus / Destillat Wege sowie in einem Flyer. Brennpunkte Wie engagiert Brenner und Gemeinde für die örtliche Brennerszene brennen, zeigen auch die sogenannten Brennpunkte Pfedelbach, ein Tag der offenen Brennereien, mit dem alljährlich Anfang November die Brennsaison einge- läutet wird. Was von manchen vielleicht mal als Schnapsidee belächelt wurde, hat sich längst als erfolgreiche Schnaps-Idee etabliert. Schon beim Start in einer der Brennereien brennen die Besucher darauf, mehr übers Brennen zu erfahren. Die meisten machen die große Runde, um bei allen Brennern vor- beizuschauen. Auf der Suche nach Antworten und Aromen. Per pedes, mit dem Rad oder Shuttlebus. Viele Gesichter begegnen einem entlang der Strecke und bei den Brennern immer wieder. Mit Schaubrennen und Bewirtung sorgen die für jede Menge Abwechslung. Und natürlich kommen bei den Verkostungen auch flüssige Lektionen nicht zu kurz – von A wie Apfel- bis Z wie Zwetschgen- oder Zigarrenbrand. Besonders begehrt sind die hautnahen Einblicke in den Brenn- küchen, wo die Brenner ihre Brennkessel eingeheizt haben und sich bei ihrem hochprozentigen Handwerk über die Schultern und beim Probieren in die Gläsle schauen lassen. „Wieviel kassiert der Zoll?“ „Mit welchen Alkoholprozenten tröpfelt der Schnaps aus der Brennblase?“ Oder: „Was ist ein Vorlauf und warum kann man den nicht trinken?“ Geduldig lassen sich die Brenner mit solchen und ähnlichen Fragen löchern, erklären den Destillationsvorgang und bleiben keine Antwort schuldig. Bilder: Wenn‘s so richtig knistert und die Funken stieben, kann der Brenner bald mit der Destillation beginnen. Noch immer feuern in Ho- henlohe viele Brenner ihren Brennkessel nach alter Tradition mit Holz an (Bild links). Gut lachen hat, wer einen guten Brand im Glas hat (Bild Mitte), Eine reiche Auswahl an Destillaten örtlicher Brenner steht in der Pfedelbacher Vinothek Sonne zur Verkostung und zum Verkauf bereit (Bild rechts).
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